Radioaktivität
ist in Deutschland allgegenwärtig. Nicht deswegen, weil zur Zeit wieder in ganz
Deutschland nach einem Endlager für Abfälle aus Atomkraftwerken gesucht wird,
sondern weil Radongas natürlicherweise überall aus dem Boden austritt.
Radon ist ein Zerfallsprodukt des im Boden vorkommenden Uran-235, welches über
Radium-226 zu dem Edelgas Radon-222 zerfällt. Die Halbwertszeit des Radon-222
beträgt 3,8 Tage. Es kann sich also leicht in Gebäuden anreichern, weil es
recht stabil ist.
Unter Normalbedingungen ist das Gas farb-, geruch- und geschmacklos, kann also
mit den menschlichen Sinnesorganen nicht wahrgenommen werden.
Es zerfällt unter Freisetzung von Helium-Ionen, sogenannten Alpha-Teilchen, die
zu den ionisierenden Strahlen gehören. "Wird Radon eingeatmet, schädigt
diese Strahlung das Lungengewebe", erklärt der Baubiologe Ralf Holtrup aus dem Münsterland. "Die
Lungenschädigung kann zunächst harmlos sein, kann jedoch bei langfristiger
Belastung auch zu Lungenkrebs führen!"
Ralf Holtrup ist Betreiberin einer Beratungsstelle des Baubiologen-Vereins
BIOLYSA e.V, dessen Mitglieder in ganz Deutschland vertreten sind und auch
Messungen von Radon in Gebäuden durchführen.
Der Sachverständige weiter: "Lungenkrebs ist in Deutschland eine häufige
Todesursache. Neben Rauchern sind auch Bewohner von meist älteren Häusern
betroffen, in die aus dem Erdreich kommendes Radon eindringt. Schätzungen gehen
davon aus, dass etwa 7-10% der Lungenkrebsfälle in Deutschland auf das Edelgas
und dessen Zerfallsprodukte zurückgeführt werden können."
Die Vorkommen an Radon-Gas in Deutschland sind nicht flächendeckend. Sie
konzentrieren sich in den Mittelgebirgen und sind abhängig vom Auftreten
bestimmter Gesteinsarten und der Beschaffenheit der Böden. Jedoch kann man sich
an der Küste oder im Flachland nicht sicher fühlen. Die im Internet verfügbare
"Radonkarte Deutschland" verweist zwar auf die Radonkonzentration in
der jeweiligen Region, ist aber extrem ungenau. Das eigene Risiko kann immer
nur mit mehrwöchigen Langzeitmessungen mit speziellen Messgeräten abgeschätzt
werden.
Holtrup: "Das Auftreten von Radon in den eigenen vier Wänden hängt vom
Bauzustand ab. Erdberührte Hauspartien wie die Bodenplatte, die möglicherweise
Risse aufweist oder nicht richtig abgedichtet ist, lassen Bodenluft eintreten
und bergen somit oft unsichtbare Gefahren." Je undichter Böden und Wände
seien, desto höher sei das Risiko!
"Auch Fenster unter dem Bodenniveau sind eine Eindringpforte. Und das Gas
bleibt nicht in den Kellerräumen, sondern verteilt sich im ganzen Haus. Bei den
heutigen sehr dicht schließenden Fenstern reichert es sich im Extremfall gerade
in Wohnräumen stark an."
Gesetzliche Regelungen mit verbindlichen Grenzwerten existieren in Deutschland
nicht.
Um das radonbedingte Lungenkrebsrisiko zu senken, muss momentan eine
europäische Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden. Dabei gibt es in
Deutschland jedoch Uneinigkeit über die Höhe der tolerablen Radon-Konzentration
in Aufenthaltsräumen, dem "Referenzwert" in Becquerel pro Kubikmeter.
Wichtige Fachorganisationen wie die Weltgesundheitsorganisation WHO und
deutsche Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Medizinische
Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) und Deutsche Gesellschaft für
Epidemiologie, AIR (Ausschuss für Innenraumrichtwerte), sowie das Bundesamt für
Strahlenschutz sind eher für einen niedrigen Grenzwert von 100 Bq/m³.
Die süddeutschen Bundesländer, wo Radonprobleme in Gebäuden bekannter sind,
befürworten eher 300 Bq/m³. Es gibt Bedenken, dass 100 Bq/m³ sei bei
Sanierungen schwer erreichbar, zu aufwändig und zu teuer seien.
Der Fachmann dazu:" Sanierungserfolge jedoch zeigen, dass 100 Bq/m³
machbar und bezahlbar sind. Beim Neubau sind 100 Bq/m³ mit entsprechenden
Verfahren und Materialien kein Problem mehr. Man geht auch davon aus, dass das
Lungenkrebsrisiko mit jedem Anstieg um 100 Becquerel pro Kubikmeter um 10%
zunimmt."
Werden bei Langzeitmessungen kritische Messwerte erreicht, sollten Maßnahmen
zur Verringerung des Strahlungsrisikos ergriffen werden. Mit verschiedenen
lüftungs- und bautechnischen Methoden und der Abdichtung von Rissen und Fugen
in der Bodenplatte kann Radon dauerhaft aus einem Gebäude herausgehalten
werden. Ist das nicht möglich, muss zumindest eine Anreicherung in der Raumluft
und ein Aufsteigen des Gases in höher liegende Wohnräume verhindert werden.
Ralf Holtrup empfiehlt allen gesundheitsbewussten Menschen, die in entsprechend
gefährdeten Häusern wohnen, in jedem Fall die Untersuchung ihrer Häuser oder
Wohnungen auf Radon. "Das ist nicht sehr teuer und schafft Sicherheit, was
die Luftbelastung anbelangt. Von Feinstaub und Stickoxiden spricht momentan
jeder, aber Radon wird immer noch völlig unterschätzt!"
Weitere Infos erhalten Sie bei www.baubiologie-holtrup.de